Michael Hofstetter: Rapture [black box] Incarnation, 2019, Kunstverein Neuzelle

 

Michael Hofstetter: Neuzelle Suite, 2019, Arbeiten auf Papier

 


 

Michael Hofstetter bezieht sich in seiner Skulptur Verzückung [black box] Inkarnation auf das das barocke Kulissenbild, welches im Museum am Stiftsplatz von Neuzelle präsentiert wird. Für ihn ist der Gedanke des 'theatrum mundi', der 'Welt als Bühne' dort manifest. Hofstetter betrachtet das Kulissenbild als Materialisation der Beziehung vom Menschen zu Gott. In seinem Projekt wird das Kulissenbild zur Skulptur, das in den Raum gestaffelte Bild wird als ein Volumen begriffen und in einem Block aus massivem Holz wiedergegeben. Diese Form ähnelt einer Großbildkamera. Unter der barocken Annahme, dass alles Irdische bloß Theater, bloss Schein ist, haben die Apparate, die Schein bzw. Illusion erzeugen - das Kulissentheater, später die Fotografie - die Macht, Wirklichkeit zu erzeugen. Hofstetter erzeugt mit seinem Projekt selbst keinen neuen Illusionsraum, sondern begreift den im Kulissenbild erzeugten Schein als einen Ort: als einen Schwellenraum zwischen Mensch und Gott, der sich aus den zwei gegenläufigen Beziehungen des Menschen auf Gott und von Gott auf den Menschen bildet; der Verzückung oder Ekstase des Menschen zu Gott hin und der Inkarnation des Menschen durch das Göttliche.
Hofstetter übersetzt die Begriffe Verzückung und Inkarnation in Brailleschrift und schreibt sie auf zwei Seiten der Skulptur, die der Schauseite und dem Prospekt des Kulissenbildes entsprechen. Auf die Seite des Zuschauers: Verzückung; auf die Rückseite, die Seite Gottes, des Altars: Inkarnation. Die entstehenden Punkte auf den Stirnseiten des hölzernen Körpers bohrt er unterschiedlich tief in die Form. Die Beziehung von Mensch zu Gott wird zur materiellen Spur im Holz.


In der Ausstellung ist das von Hofstetter bearbeitete Modell dieser Holzskulptur in der Kirche zum Heiligen Kreuz präsentiert. Auf dem Stiftsplatz selbst ist nicht die Skulptur als Ganzes zu sehen. Der Kurator Niklas Nitschke hat für diese Ausstellung das Kulissenbild in vier Teile zerteilt. Diese vier Teile werden in Originalgröße als hohle Kisten gefertigt, blau angestrichen und auf den Stiftsplatz gestellt. Nitschkes kuratorisches Projekt endete dann mit der Übergabe einer Kiste an die vier Künstler. Hofstetter realisierte in dieser Kiste, gemäß der von ihm vorgenommenen Intervention am ganzen Kulissenbild, nur den Teil, der ihm von Nitschke gegeben worden ist. Die Betrachter haben jetzt nicht mehr das Ganze und seine Beziehungen vor Augen, sondern nur ein Fragment. Die Löcher verlieren den Bezug zum Begriff aus dem heraus sie entstanden sind. Sie sind nur noch seltsame Bohrungen in einem hölzernen Körper: die Reduktion auf eine blosse abstrakte Formation entspricht einer Horizontlosigkeit unserer Gegenwart. Diese Drehung zum Betrachter hin steigert Hofstetter noch in dem er die Löcher mit Glashalbschalen schließt. Jetzt projizieren diese Linsen ein imaginäres Bild in das Innere der Kiste und Außen spiegelt sich der ganze Stiftsplatz als Panorama wieder.

 

 

Utopie Passion, eine temporäre Installation auf dem Stiftsplatz des Kloster Neuzelle
30. Juni bis 1. September 2019


Das Projekt UTOPIE PASSION als erstes Projekt des im Oktober 2018 gegründeten
'Kunstverein im Kloster Neuzelle' versammelt Projekte von vier Künstlerinnen und Künstlern in einer temporären Installation auf dem Stiftsplatz des Kloster Neuzelle.

Die Praxis des Kunstvereins nimmt - auch über das Projekt hinaus - das Nebeneinander von Neuzelle und Eisenhüttenstadt, Kloster und ehemaliger Idealstadt in den Blick. Beide sind Modelle, sowohl hinsichtlich einer Vorstellung von Schönheit, als auch von gesellschaftlicher, und damit diesseitiger, Utopien.

Der Vergleich beider Orte stellt den Entwurf selbst, den Modellgedanken heraus. Die Künstlerbeiträge des Projekts UTOPIE PASSION - die selbst Projekte, d.h Vorschläge bleiben, nicht als Werke ausgeführt werden - entfalten im Kontext von Kloster und Idealstadt verschiedene Perspektiven auf das Anliegen, die umgebende Gesellschaft als Modell zu denken. Gleichzeitig stellt dieser Kontext im einzelnen Künstlerprojekt heraus, ob und wie es Bezug auf eine Allgemeinheit nimmt, sich selbst als Modell entwirft, wie es 'sich selbst zu einer Gemeinschaft umschafft'.

Formal und methodisch werden die Künstlerprojekte im Dialog mit der barocken Szenenbildfolge des 'Himmlischen Theaters' entwickelt. Diese Darstellung der Passionsgeschichte ist in Neuzelle außergewöhnlich umfangreich erhalten, weshalb seit 2015 zwei Kulissenbilder in einem eigens dafür gebauten Museum gezeigt werden.

Das Projekt wird gefördert von:
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur
Staatskanzlei Brandenburg
Kulturamt Landkreis Oder Spree
Sparkasse Oder Spree
Stiftung der Rahn-Dittrich-Gruppe
Kirchenkreis an Oder und Spree
Evangelische Gemeinde Neuzelle