Pressetext

wir arbeiten immer noch daran, nicht mehr zu arbeiten
Kuratoren: Michael Hofstetter, Olaf Probst, Stefan Schessl

 

GALERIE DER KÜNSTLER
BERUFSVERBAND
BILDENDER KÜNSTLER MÜNCHEN
UND OBERBAYERN e.V


Anja Thea Bayer münchen
Mary Ellen Carroll new york
Stephan Conrady münchen
Ulrike Flaig berlin
Tom Früchtl münchen
Michael Hofstetter münchen
Eva Lammers münchen
Barbara Probst new york
Olaf Probst münchen
Stefan Schessl münchen
Michael Schultze berlin
Andrea Stahl berlin
Veronika Wenger münchen
Andreas Wutz münchen

Austellungseröffnung: Freitag, 11. März 2005, 18 Uhr
Dauer der Ausstellung: 12. März bis 08. April 2005

Begleitprogramm:


Fr 11. 03. 20h: Peter T. Lenhart, nichts tun / Nichtstun – eine kurze Geschichte der leisure class von Veblen bis Hartz IV
Do 17. 03. 20h Alu Walter /Walter Siegfried, zerhackt kontinuierlich
Sa 19. 03. 20h Martin Blazicek, Zeitexperimentalfilme
So 20. 03. 20h Olaf Probst, Boxen-Zeige-Performance
Die 22. 03. 20h Johannes Meinhardt, 10 Jahre Tiefschlaf
Do 24. 03. 20h O-Ton, öffentliche Probe; Stephan Conrady, DJ wir arbeiten, CD-Service
Die 29. 03. 20h Discoteca Flaming Star, Konzert
Do 31. 03. 20h Ignaz Schick, Konzert
Sa 02. 04. 20h Brygida Ochaim, Tanzperformance
Die 05. 04. 20h Albert Ostermaier, Lesung

wir arbeiten immer noch daran, nicht mehr zu arbeiten ist eine Gruppenausstellung, die sich bewusst gegen den Zeitgeist abgrenzt, aber dennoch Zeitgenossenschaft für sich reklamiert.

In einer solchen Ausstellung kann es offensichtlich nicht darum gehen, irgendeine weitere Positionsbestimmung innerhalb eines Mediums – sei es Fotografie, Film, Skulptur, Installation oder Malerei – zu liefern. Vielmehr geht es um eine Positionsbestimmung, die medienübergreifende Relevanz hat. Die vierzehn Künstler und Künstlerinnen, die hinsichtlich Technik und Verfahrensweise völlig unterschiedlich arbeiten, vereinen sich aufgrund ihres programmatischen Ansatzes: Selbstreferenzialität und ein kritisches Verhältnis zur eigenen Produktionsweise sind zentrale Motive in der Arbeit jedes Einzelnen. Dieses auf sich selbst bezogene kritische Potenzial künstlerischer Vorgehensweise geht, über Material und Medium hinaus, bis zur Befragung des eigenen impliziten Künstlermythos und der Institutionen, die einen solchen Mythos erzeugen. Auf diese Weise sind nicht nur der paradigmatische Raum der Moderne, der White Cube, und sein postmodernes Gegenbild, die Black Box, durchgängiges Motiv dieser Ausstellung, sondern auch unterschiedliche Reflexionen eines Narzissmusbildes, das Hersteller wie Betrachter von Kunst verbindet.

Man könnte sagen, dass das Begehren der zentrale Begriff dieser Ausstellung und vielleicht auch dieser Zeit ist. An der Art und Weise des Umgangs mit diesem Begriff ließe sich festmachen, was dieser Ausstellung ihren spezifischen Charakter verleiht. Es ist heute Usus geworden, unter dem Stichwort des Begehrens eine Entproblematisierung künstlerischer Werke zu betreiben und sich einen goutierenden Zugang zu den vorhandenen Bildwelten und Künstlergesten zu verschaffen. Diese Strategie des Effekts und der Wiederbelebung des schillernden Außenseiters als Genie vereinigt Zitat und Exotik, Wiederholung und Begehren innerhalb einer bürgerlichen Wunschmaschine, die ständig nach piktoralen Verstärkern sucht.

Dreht man aber diese Zustandsbeschreibung um und nimmt das Moment des Begehrens als Fiktionsmaschine unter die Lupe, so lassen sich künstlerische Positionen vereinigen, die an ihrer Oberfläche unterschiedlicher nicht sein können. Ein solch hellsichtiger Umgang mit den eigenen und gesellschaftlichen Einbildungen muss kein asketischer Rückzug in den Minimalismus sein, sondern kann durchaus in üppiger Schönheit schwelgen, auch wenn wir in jedem Moment wissen, dass diese Kunstblase immer kurz vorm Zerplatzen ist.

Demzufolge wird diese Ausstellung als weiteres Merkmal einen völlig anderen Umgang mit der Vorgabe „Ausstellung" zeigen. Sie macht sich weitgehend unabhängig von den Räumlichkeiten, in denen sie gezeigt wird. Durch Raum-im-Raum-Konstruktionen und eine werküberlappende Hängung entsteht ein Eigengebilde, das einen autonomen Ort erzeugt. Diese Verschränkung oder„Verklebung" der Einzelarbeiten könnte man mit Parcours, Environment oder Feld beschreiben. Wobei der Begriff des Feldes, im Sinne des Spielfeldes, auf die Art des Zusammenhangs der einzelnen Arbeiten verweist: Er ergibt sich dadurch, dass beim Begehen dieses Feldes Spielregeln aufscheinen und sich die Figuren, also die Arbeiten, inhaltlich verknüpfen. Da es sich bei dieser Ausstellung aber um ein offenes Spiel handelt, erzeugt die Verknüpfung und gegenseitige Kommentierung nicht nur eine Ausstellungsprogrammatik, sondern auch offene Stellen und Zonen des Übergangs, an denen sich der Betrachter einschreiben kann. Wir haben es in den Werken der obengenannten Künstler oftmals mit einem Anschein zu tun, der sich bei näherer Betrachtung zersetzt, neu konfiguriert und urplötzlich auf andere Ebenen umschwenkt. Hier trügt der Schein so manches Mal und werden Missverständnisse produktiv.

1.) Anja Thea Bayer untersucht die Ausstellungs- und Arbeitssituationen, auf die sich einlässt. In diesem Fall zeigt sie drei kleine Zeichnungen zu den Themen Verkündigung, Kreuzigung und Pietà.

2.) Mary Ellen Carroll artikuliert und denunziert die Wonnen der Autorschaft, wenn sie etwa, wie jüngst, eine Ausstellung konzipiert, ganz im Gewand einer disparaten Gruppenausstellung, bis man feststellen konnte, dass es sich um die Werke einer einzigen Künstlerin handelte.

3.) Die Malerei von Stefan Conrady versteht sich nicht als Teil einer neuen Figuration. Es geht ihm viel eher um die Frage, wie sich ein Imago, ein Bild aus den angewendeten malerischen Verfahren erzeugen lässt. Dabei hat er schon vor Jahren jegliche Form von Bilderfindung zu Gunsten eines einheitlichen Bildmodells aufgegeben.

4.) Ulrike Flaigs am Boden liegende Arbeit „Mein drittes Auge" verklebt Bild mit Skulptur. Der Betrachter kann sich in einem aus Latten gezimmerten Cocon für Narziss und Diogenes legen, um dort auf einer silberfarbenen Matratze Arno Grüns Buch „Verratene Liebe, falsche Götter" zu lesen oder auf einem Monitor Flaigs Rückkopplungsvideo in Zusammenarbeit mit der Gruppe „Perlonex" zu betrachten. In der Innendecke spiegelt er sich ebenso wie in der einseitig gewellt verspiegelten Rückwand.

5.) Tom Früchtl kopiert mit malerischen Mitteln Oberflächen auf sich selbst. Er fotografiert in diesem Fall die durch den Lichteinfall entstehenden Verschattungen einer weißen Kiste und fixiert sie anschließend mit Malerei auf sich selbst. Er reflektiert den leeren weißen Raum als paradigmatische Ausstellungssituation der Moderne und entlarvt ihn als Idealisierung und Wunschvorstellung des Rezipienten, indem er seine dunklen Stellen malerisch hervorhebt.

6.) Michael Hofstetter beschäftigt sich in vielen seiner Arbeiten mit der Widersprüchlichkeit zwischen der Intention und der Rezeption von Kunst, zwischen Produktionsraum und der Institution. Er zeigt zwei Arbeiten. „Ottos Hütte" ist der leicht verkleinerte Nachbau eines Galerieraums, auf dessen Wände alle Besprechungen gedruckt wurden, die diese Galerie bis dato bekam. Dieser Verkehrung von Innenansicht und Fremdwahrnehmung stellt Hofstetter „Ohne mich" gegenüber, wo er aufgrund einer langen Belichtungszeit aus seinem fotografierten Bett verschwunden ist.

7.) Eva Lammers stellt Serien minimalistischer Zeichnungen her, auf denen jeweils ein kürzelhaft anmutendes Liniengespinst zu sehen ist, das eine knotenartige Schleife bildet. Die dreidimensionale Wirkung dieser Knotenzeichnungen erzeugt sich quasi aus der Linie selbst.

8.) In der Arbeit von Barbara Probst haben wir es ständig mit scheinbar bekannten fotografischen Genres zu tun, bis wir merken, dass ihre Strategien der Doppelung, der gleichzeitigen Belichtung eines Sujets von verschiedenen Standpunkten aus nicht nur die dokumentarische Qualität von Fotografie zermürben, sondern auch versuchen, diese selbst auf ihren Ursprung, den Moment der Belichtung, zurückzuführen.

9.) Olaf Probsts Arbeit kreist um die Frage, wie wir überhaupt etwas verstehen, ob wir Bilder lesen oder Texte bildlich wahrnehmen, ob „verstehen" selbst nicht vielmehr der Fehler sei, aufgrund der ständigen Vermutung, hinter dem Erfassten müsste sich zwangsläufig etwas anderes verbergen. Sein Grauwert ist eine monochrome Wandmalerei, die sich aus der repetitiven Typografie des Beinahe-Palindroms „meinsniedeinsnie" zusammensetzt.

10.) Stefan Schessl entpersonalisiert in seiner Malerei die malerische Geste. Er eröffnet mittels einer Reihe von Verfahrensweisen ein Spiel zwischen Figur und Grund, wobei in diesen Verfahrensweisen der Malgrund nach der Frage zur allgemeinen künstlerischen Voraussetzung wird und die Figur zur Frage nach der künstlerischen Erfindung.

11.) Michael Schultze untersucht in seinen skulpturalen Einsätzen das Wesen des Blicks und sein Verhältnis zum Begehren. In seiner Arbeit über Brancusi fragt er, inwieweit Erinnerung und Begehren unsere nur scheinbar objektive Weltsicht ständig verzerren und aber andererseits genau dadurch einen libidinösen Zugang zu Kunstwerken ermöglichen. Das Zitieren Brancusis verweist auf einen Ausstellungstypus, der nicht durch formale Ähnlichkeiten zustande kommt, sondern durch ein kombinatorisches Feld.

12.) Andrea Stahls Arbeit „Ruh dich aus" besteht aus einer zweigeschossigen Holzkiste, in der unten ein Trampolin bereit steht, das es dem Betrachter ermöglicht, im Sprung einen Blick in den zweiten Stock zu werfen. Dort sieht er sich selbst auf einer Projektion hochspringen. Begehren wird mit Eigeninitiative, Enttäuschung und Wiederholung gekoppelt.

13.) Veronika Wengers Film „Ist es auf Erden?" ist ein Schwarz-weiß-Video, das mit den filmischen Mitteln der Nouvelle Vague oder des frühen Fassbinder eine undurchsichtige Dreiecksbeziehung erzählt. Ohne lesbare Erzählstruktur und ohne Dialog repetiert er alltägliche belanglose Handlungen. Die Erzählung entsteht im Kopf des Betrachters.

14.) In seinen Filmen zeigt Andreas Wutz oft mehr dasjenige, was wir nicht sehen als dasjenige, das gesehen wird. Ob es eine Fahrt durch die sprichwörtlichen böhmischen Dörfer ist oder sein Film über das Autorennen in Le Mans, ständig sind wir mit einem seltsamen Entzug konfrontiert, der immer mit der Abwesenheit von Klischees einhergeht.