Michael Hofstetter: ÜberSetzen, 1993

 

 

Galerie Binder & Rid
Beethovenstraße 10
80336 München

 

Pressetext



Austellungseröffnung: 19. November 1993
Dauer der Ausstellung: 19. November bis 14. Dezember 1993

Die Ausstellung "ÜberSetzen" von Michael Hofstetter in der Galerie Binder & Rid zeigt vier foto­grafische Arbeiten und eine Computerinstallation. Jede dieser Arbeiten verweist auf eine andere ausgestellte Arbeit, behauptet aber gleichzeitig den Raum, in dem sie installiert wird. Diese Verkettung der Arbeiten gliedert, bei einer gleichzeitigen Rückverankerung im Raum, die Räume entsprechend der Rangfolge des gegenseitigen Bezugs der Arbeiten in ein sukzessives Nacheinander. Wie Feld und Figur in einem Spiel erhalten die Räume ihre Bedeutung aufgrund ihrer Selbstbedeutung (Feld) zuzüglich des in ihnen installierten Werkes (Figur). Auf diese Weise bestimmt nicht nur der Raum das Werk, sondern auch das Werk den Raum. Insofern sind alle gezeigten Installationen Bühnen: gleichzeitig hermetisch und offen, total und relativ, statisch und transitiv. Die so von den Installationen bestimmten Räume werden zu Schnitt-stellen zwischen Außen und Innen, "Welt" und"Mensch", Realität und Fiktion, Privat und Öffentlich, Referenz und Rezeption, Dokumentation und Verführung.

Die verschiedenen Raumsituationen reichen von einer Außeninstallation bis zu einer Inszenie­rung eines imaginären Computerraumes. Die Außeninstallation am Goetheplatz in München ist die Bearbeitung einer Litfaßsäule, die durch den illusionistischen Charakters der Fotografie viergeteilt erscheint. Der durch die Säule verstellte Raum wird auf der Litfaßsäule selbst wieder als Fotografie gezeigt. Die Fotografien sind eingerahmt von Schriftsäulen mit dem Schriftzug "HOW LUCKY CAN YOU GET", einem Werbespruch der amerikanischen Lotteriegesellschaft.

Im Eingangsbereich der Galerie wird die so bearbeitete Säule nochmals als Schwarz-weißfotografie gezeigt. Auf diese Weise verwischt die Fotografie den Unterschied zwi­schen auf der Litfaßsäule "aufgeklebter Welt" und "realer Welt".

Das maßstabsgetreu gebaute Modell des ersten Raumes der Galerie wird in Camera obscura verwandelt. Dafür werden die beidenFenster verdunkelt und jeweils nur ein 2mm Loch als Linse frei gelassen. Die zwei Öffnungen belichten die beiden Seiten-wände des Raumes, die mit trans­parentem Cibachromematerial bedeckt sind. Die eine Öffnung belichtet während einer ganzen Nacht, die andere Öffnung eine Stunde am Tag. Tag- und Nachtbelichtung zusammen ergeben eine nicht kongruente Doppel-belichtung. Aus dem so gewonnenen Dia wird ein Ausschnitt maßstabsgetreu vergrößert und an die entprechende Stelle im realen Galerieraum installiert.

Im zweiten Raum wird eine Drehbühne gezeigt, auf der eine Computerworkstation steht. Die im Monitor sichtbaren, auf den Betrachter zu wandernden sich vergrößerenden Sätze "SEE ME", "HEAR ME", "SMELL ME", "TASTE ME", "TOUCH ME" und "DESIRE ME" werden an die Wand geworfen und bedecken in einer 360 Grad Bewegung sukzessiv alle vier Wände des ganzen Raumes. Das Bild wird auch durch die Türen und Fenster der angrenzenden Räume geworfen. Diese Arbeit verhält sich kontrapunktisch zu der im ersten Raum. Dort wird die Welt hereingelas­sen. Sie verzerrt sich der Innenarchitektur entsprechend und erscheint durch die lange Belichtungszeit blau gefärbt. Im zweiten Raum dagegen wirft der Computer die vom Menschen entworfenen Bilder quasi wieder hinaus.

Dr. Shiva Lachen