Ausstellung "Gold", Tom Füchtl, mit Michael Hofstetter, Stefan Schessl, 2008

 

 

"Gold" bei Nusser & Baumgart Contemporary, München
in: artnet Review, 10/2008, Seite 1

 

Evelyn Pschak: Der Rotz des Lebens, 2008

DER ROTZ DES LEBENS

Wie definiert man Glamour? Für den Münchner Künstler Tom Früchtl (Jahrgang 1966) liegt es auf der Hand: „glance and amour“ also „Glanz und Liebe, Liebe zum Glanz, das Glimmen an der Oberfläche, das so schnell verglüht, wie es aufblitzt. Pop eben!“ Früchtl ist einer der drei Künstler der wohl glamourösesten Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die in München dieses Jahr stattgefunden hat. Die Galerie Nusser und Baumgart bat neben Früchtl auch noch Michael Hofstetter (1961) und Stefan Schessl (1967) zu „Gold“, da sich alle drei in ihren Arbeiten das kostbare Material aneignen. Der Maler Schessl entzieht sich dem eigenen Duktus, indem er den Untergrund nicht direkt behandelt sondern über farbgetränkte Tücher oder besprenkelnde Gestik Malerisches schafft. Er sieht sich – als barockverwöhnten Niederbayer – „ins falsche Gold hineingeboren“ und hat schon Ende der 90er Jahre edelmetallisch gearbeitet. Im Kommentar eines Atelierbesuchers „Aber Gold ist doch Scheiße“ erkannte Schessl auf paradoxe Weise die Bestätigung für seine Auseinandersetzung mit Gold – da er sich ja vorrangig für Schmutz und dessen Um-, Auf- und Bewertung interessierte. Er hatte den goldenen Farbtopf irgendwann doch wieder weggestellt, um dem „Kometenschweif an Assoziationen“ zu entkommen. Inzwischen weiß er, dass selbst jede Bleistiftzeichnung fremd zitiert und hat sich mit der „Geschwätzigkeit“ des Goldes arrangiert. Wenige Meter weiter plappert es unter dem Glaspanzer hervor, der einen Goldbarren schützt. Einen echten. Der umso echter wirkt, als Tom Früchtl ihn noch einmal mit Goldfarbe übermalt hat. Genau so stellt man sich einen Goldbarren vor: Glänzend und lockend. Früchtls minimal Trompe l’oeils sind immer ein Stück näher am Bild als die Vorlage selbst. Ob er Lichtreflexe an der Wand in subtilen Schichten nachtupft oder die Patina eines Scheunentors eins zu eins kopiert und dem alten Holz neu aufsetzt. Das Fake wird zum Original, der camouflierende Eingriff verdeckt gleichzeitig den Hintergrund und alle malerische Anstrengung. Für den Dritten im Bunde, Michael Hofstetter, ist die thematische Verknüpfung „Gold“ allerdings nur die augenfälligste: „Wenn man bei Schessl sagen könnte, ‚falsche Geste’ und bei Früchtl ‚falsche Oberfläche’, so müsste man bei mir sagen ‚falscher Sinn’ – und noch hinzufügen ‚notwendig falscher Sinn’, weil wir immer dem Irrtum unseres eigenen Wissens aufsitzen“. Für seine Skulptur „La faute de l’architecture sauvée“ kreuzt Hofstetter die Antike mit Duchamp und präsentiert dem Betrachter eine Miniaturnachbildung des Tholos’ von Delphi. Die Bausteine der Ruine auf dem glänzenden Sockel formen sich aus berotzten und besamten Papiertaschentüchern. Mit ihnen stellt Hofstetter die Frage, ob nicht alle sublimatorischen Mühen doch nur „von Rotz und Sperma zusammen gehaltenes Leben“ spiegeln. Wem diese Anhäufung von Schmutz und Sekreten insgesamt doch reichlich unglamourös erscheinen mag, der sei auf die von amerikanischen Mikrobiologen vermutete Entstehung von Goldnuggets verwiesen: Demnach wandelt der Einzeller Ralstonia metallidurans durch Ausscheidung gelöstes Gold in metallisches um. Und mit den Nuggets wächst auch die Erkenntnis: Je glänzender die Oberfläche, desto weiter der Weg zum Sublimen.